30-jähriges Jubiläum: Bericht von der 30. Winter-Saale-Fahrt

Eine Jubiläumsfahrt ist natürlich immer etwas Besonderes, deshalb möchte ich kurz auf deren Geschichte eingehen.

Es war an einem hundekalten Wintertag im Februar 1986. Ich saß im Zug nach Erfurt und pustete mir in der Gegend von Bad Kösen ein Guckloch in die Eisblumen am Fenster, um einen kurzen Blick auf Rudelsburg und Saaleck zu erhaschen. Doch was machte die Saale. Munter plätscherte sie eisfrei gegen die Brückenpfeiler. Chemiebelastet, wie sie war, dachte sie gar nicht ans Zufrieren. Da kam mir eine Idee: Warum sollte es zu den bestehenden Winterfahrten nicht auch noch eine Winter-Saale geben? Wir hatten, entsprechend einiger polnischer Vorbilder, bereits Winterfahrten auf der Dahme, der Spree, der Elbe und der Havel. Alle waren gut frequentiert, da würde eine weitere Winterfahrt bestimmt gut ankommen.  

Für Winterfahrten braucht man natürlich ein warmes Quartier, ich entschied mich für die Jugendherberge in Bad Kösen. Leider hat diese JH 2006 geschlossen. Aber in Bad Sulza gab es noch eine weitere Jugendherberge, wo wir seit dem hervorragend betreut werden. Traditionsgemäß gibt es am Anreiseabend Paddlerkultur, d.h. die Paddler zeigten interessante Lichtbilder von ihren interessantesten Reisen. Inzwischen hat sich die Technik rasant weiterentwickelt, inzwischen sind es meistens Filme, gewürzt mit Filmen von Helmkameras oder von Drohnen aufgenommen.

Am Sonnabend wurden wir anfangs in Dorndorf und seit 1996 in Golmsdorf hervorragend mit regionaler Küche zum Mittagessen versorgt. Seit der 2. Winter-Saale-Fahrt gibt es am Samstagabend die Bierverkostung, die von allen Teilnehmern einfallsreich und mit großer Begeisterung unterstützt wird.

Zehn Jahre hat Wolfgang Tuch von der BSG Tiefbau, nach 1990 vom SCBG die Fahrt geleitet, dann acht Jahre Andreas Wegner vom Märkischen Kanuverein 53, und seit 2006 gab Jan Fröhlich vom Sportclub Berlin-Grünau  zwölf Jahre der Fahrt neuen Schwung.

Ach so: Winterfahrt. Die Fahrt findet jeweils Ende Februar statt – da gab es in den 30 Jahren alle Wetter, Kälte und (besonders 2013) Schnee, ganz selten Regen, aber auch tolles Frühlingswetter mit Sonnenbad und freiem Oberkörper. Gepaddelt sind wir immer. In den letzten Jahren war die sauber gewordene Saale auch mal zugefroren, die Notfallpläne konnten aber jedes Mal wieder weggepackt werden. Eine kleine Hochwasserwelle sorgte rechtzeitig für einen schnellen Eisgang und freies Wasser.

Aber nun zu den Ereignissen der Jubiläumstour. Gleich im rechten Eingang der Jugendherberge Bad Sulza finden die Sportfreunde die wichtigsten Informationen für das Wochenende. Dazu gehören die Zimmerbelegung, die Sicherheitsbelehrung, der zeitliche Ablaufplan und die Streckenbeschreibung der Saale. Das Wichtigste für mich ist erst mal die Zimmernummer, wo ich schlafen darf. Gar nicht so einfach, sein Zimmer in dem verwinkelten Bau zu finden. Ich bin jedes Mal erstaunt, wie in einem von außen durchaus klar gegliedertem Haus, solch ein verwinkeltes Chaos herrschen kann.

Aber nach diesem ersten Schock empfängt uns ein Raum mit einigen bereits mit Bettzeug bezogenen Doppelstockbetten, die einzige Herberge in Deutschland mit diesem Service. Ab 19.00 Uhr gibt es Abendbrot, traditionell ein warmes Essen, in diesem Jahr ein raffiniertes Kassler mit Röstis.       Der Fahrtenleiter Jan Fröhlich vom Sportclub Berlin-Grünau dreht seine persönliche Begrüßungsrunde, lässt sich von den Gruppenfahrtenleitern die Sicherheitsbelehrung quittieren und verteilt die Essenmarken für den kommenden Sonnabend sowie in diesem Jahr als Jubiläumsgeschenk einen Erinnerungsbutton mit dem Signet der Winter-Saale-Fahrt, den Berliner Bären im Kajakeiner.

Um 21.00 Uhr ist der Platz im Clubraum bis auf den letzten Stuhl besetzt, Carmela W. aus Werdau zeigt einen Film von einer Paddeltour auf dem Pelly River in Kanada. Dazu gibt Carmela weitreichende Informationen. Angereist sind  fünf Sportfreunde im Direktflug über Frankfurt (M) nach Whitehorse am Yukon. Der 608 km lange Pelly River ist für die unteren 400 km ein Wanderfluss mit recht flotter Strömung, auch die Little Rishhook Stromschnellen sind mit einem Wanderboot und Gepäck zu meistern. Er ist einer der wasserreichsten Nebenflüsse des Yukon. Einzige Siedlungen sind Faro und Ross River am Oberlauf und dann etwa 350 Kilometer weiter flussabwärts Pelly Crossing, wo der Klondike Highway den Fluss kreuzt. Nach der Vereinigung mit dem Macmillan River mündet der Pelly River in der Nähe des Handelspostens Fort Selkirk in den Yukon. Gepaddelt sind die Sportfreunde bis Dawson City am Yukon.

Anschließend zeigt uns Sportfreund Ralf Sch. vom SCBG einen Film über eine Wildwassertour in Kalifornien. In harten und schnellen Schnitten, untermalt mit schmissiger Musik werden wir mit Wildwasser der dritten, vierten und fünften Stufe überschüttet. Dank zweier Helmkameras ist sehr viel von der eigentlichen Flussbefahrung zu sehen.

Nach dem ausgiebigen Frühstück am Samstagmorgen rollt die Autokolonne gegen halb neun Uhr nach Jena. Einer Winterfahrt angemessen, waren des Nachts einige Minusgrade, so dass wir die Autoscheiben erst blank kratzen müssen. Aber zur Eröffnung gegen 10.00 Uhr beim Kanusportverein Schott Jena ist das Thermometer bereits Dank Sonnenschein in den Plusbereich geklettert.   Olaf W. vom Kanuverein Schott hat uns seit 30 Jahren rechtzeitig für unseren Start die Tore geöffnet. Olaf, dafür gebührt Dir ein großes Dankeschön.

Alsbald ruft der Fahrtenleiter zur offiziellen Eröffnung. Stolz verkündet er die aktuelle Teilnehmerzahl. Angereist sind 106 Sportfreundinnen und Sportfreunde von 16 Kanuvereinen aus Berlin, Brandenburg, Coswig/Anhalt, Darmstadt, Dessau, Eisenhüttenstadt, Guntersblum, Karlsruhe, Neckarsulm, Potsdam, Rehbrücke und Werdau. Die stärkste Vertretung stellen die Sportfreunde vom LKV Berlin und LKV Brandenburg mit 62 Teilnehmern. Allerdings sind wir damit auch fast am Limit der Fahrt angekommen. Die Jugendherberge hatte in diesem Jahr 120 Bettenplätze im Haupthaus und dem Nebengebäude, da wegen anderweitiger Belegung der Klosterhof nicht mehr zur Verfügung steht.

Danach geht er noch auf einige statistische Werte ein. So ist die Wintersaalefahrt die drittälteste zweitätige Winterwochenendfahrt in den Neuen Bundesländern. Dabei waren in der Summe in den 30 Jahren etwa 2300 Kanutinnen und Kanuten dabei. Seit 29 Jahren gibt es am Samstagabend die Bierverkostung, dabei haben die Sportfreunde rund 2200 Liter Bier vertilgt.

Weiterhin stellt Jan noch Bernd R. und Carmela W. aus Werdau vor, die nun als Einzige bei allen 30 Fahrten dabei waren. Leider sind die Akten der ersten 18 Fahrten nicht mehr vorhanden, so dass es an weiteren statistischen Aussagen fehlt.

Zum Schluss gibt es organisatorische Hinweise und auch ergänzende Ermahnungen zu seiner letzten E-Mail über das Verhalten in der Jugendherberge, in der Mittagsgaststätte und auf dem Wasser. Heiko aus Dessau rief zur großen Bierverkostung am Abend auf und bat um eine Abgabe der Bierflaschen zu 18.30 Uhr.

Endlich war die lange Eröffnung vorbei und die Fahrt konnte mit dem dreimaligen Schlachtruf „Sport – Frei!“ der neuen Bundesländer eröffnet werden.  

Video Eröffnung

Gegen halb Elf ging es dann endlich aufs Wasser. Infolge der Schneeschmelze und heftigen Regens in der vergangenen Woche führt die Saale etwa eine Abflussmenge Q von rund 60 m3/s. Das macht sich natürlich in einer flotten Strömung und einem geringeren Rückstau vor den Wehren bemerkbar.

 Umtragen in Jena am Paradieswehr

Bis zur Mittagspause sind das  Rasenmühlenwehr, das Paradieswehr und das Porstendorfer Wehr jeweils auf der rechten Seite zu umtragen. Langsam rücken die Häuser in den Hintergrund und wir nähern uns der Kunitzer Hausbrücke, ein immer wieder interessantes Fotomotiv.

Ralf und Jan an der Kunitzer Hausbrücke

Alsbald erreichen wir nach 6,8 km das Porstendorfer Wehr. Aufgrund des hohen Wasserstandes ist heute trotz fehlender Ausstiegshilfe das Aussteigen weniger kompliziert. Mit sehr flotter Strömung, teilweise bis zu 16 km/h, geht es nun 2,8 km saaleabwärts bis zur nächsten Straßenbrücke. Weit reichen Büsche und Bäume bis zur Flussmitte und man muss teilweise schon einen kleinen Slalom fahren. Einer Sportfreundin wird das leider zum Verhängnis.

Nach ca. 1,5 Std. ist bereits Golmsdorf erreicht. Hier ist im Gasthof „Zum Gleistal“ seit 22 Jahren das Mittagessen bestellt. Der Wirt hat uns immer mit hervorragenden Thüringer Klößen verwöhnt,

in diesem Jahr ergänzt mit unzähligen Portionen geschlachteter Gänse und Rouladen. Anlässlich der Jubiläumsfahrt verführt er uns noch mit einer wohlschmeckenden Fischsuppe.  Als er mit Jan in den Saal kommt, erhält er wieder als Dank einen begeisterten Beifall.

Video Gasthaus Golmsdorf

Frisch gestärkt, auch mal die Beine bewegt, geht es wieder bei schneller Strömung 4,9 km weiter zum Dorndorfer Wehr. Bald grüßen von dem linken Muschelkalkfelsenplateau die Dornburger Schlösser. Das Ensemle besteht aus dem Alten Schloss, einem Rokoko-Schloss und einem Renaissance-Schloss. 

 

Die Dornburger Schlösser

Wir halten uns respektvoll von der Wehrkrone entfernt, denn es rauscht gewaltig aus dem Unterwasser. Seit dem Umbau des Wehres liegen im Unterwasser gewaltige Steinblöcke und eine Befahrung ist seit dem nicht mehr möglich. Wir fahren in den rechtsseitig liegenden Kraftwerkkanal bis zum Ende. Direkt am Kraftwerk 20 m vor einer Fischtreppe befindet sich der Ausstieg. Nach etwa 100 m umtragen ist der Einstieg unterhalb des Kraftwerks erreicht. Infolge des hohen Wasserstandes ist heute das Einstiegsbrett überflutet und der Wasserstand reicht bis an die Treppe.  Am Döbritzschener Wehr versuchen wir erst gar nicht den Kanu-Fisch-Pass zu befahren. Bei dem heutigen Wasserstand kommt im Unterwasser von links eine kräftige Seitenströmung, die einen ans rechte Ufer drückt und damit ist die Kentergefahr recht groß.

Auf der gesamten Strecke sind sehr viele Bäume vom Biber angeknabbert. Überall sind ganz frische Spuren zu entdecken. Ein besonders schönes Exemplar sehen wir auf dem nächsten Foto.  Bei Sturm sind diese Bäume natürlich besonders gefährdet. Biber leben in einer lebenslangen  Fortpflanzungsgemeinschaft. Das Revier einer Biberfamilie, die aus dem Elternpaar und zwei Generationen von Jungtieren besteht, umfasst je nach der Qualität des Biotops 1 bis 3 Kilometer Fließgewässerstrecke. Auf unserer Paddelstrecke könnten also 8 bis 10 Biberfamilien leben. Die Reviergrenzen werden mit dem sogenannten Bibergeil markiert und gegen Eindringlinge verteidigt. Leider ist der Biber dämmerungs- und nachtaktiv, so dass man ihn kaum zu Gesicht bekommt. Beim Abholzen verwendet er eine „Sanduhrtechnik“; dabei wird das Holz in Form einer Sanduhr benagt, bis der Baum fällt. Je nach Härte des Holzes kann ein Biber in einer Nacht einen bis zu 50 Zentimeter dicken Baum fällen.

Da die Wenigsten von uns einen Biber in der freien Natur gesehen haben, hier ein Foto:

 

(Urheber: Von Steve from washington, dc, usa - American Beaver, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3963858)

Bis zum heutigen Ziel am Camburger Wehr sind es nur noch 2,6 km. Ab 15.00 Uhr trudeln in den folgenden 3 Stunden alle Paddler in Camburg ein. Die Boote werden auf der großen Wiese relativ verstreut und sorglos abgelegt, da bei 30 Winter-Saale-Fahrten es keinen Diebstahl oder übermütige „ins-Wasser-Schmeiß-Aktionen“ gab. Hoffen wir, dass es auch in den folgenden Jahren so bleibt. Nur die teuren Werner-Paddel nehmen einige Sportfreunde vorsorglich mit.

Ab 19.00 Uhr gibt es zu Kartoffel- und Nudelsalat Thüringer Rostbrätl und die köstliche Thüringer Bratwurst vom Holzkohlegrill. Währenddessen sortiert Heiko die mitgebrachten Biersorten auf einer großen Tafel. Die Anzahl wird immer größer, kaum eine Flasche ist doppelt vorhanden. Gespannt warten alle auf das Endergebnis. Bei „nur“ 106 Teilnehmern ist der Spitzenwert von 2015 mit 248 Biersorten aber nicht zu erreichen.  Trotzdem sind die erreichten 194 Biersorten wieder ein stolzes Ergebnis und finden bis zum Ende des Abends reißenden Absatz. Die Teilnehmer haben sich große Mühe gegeben und versucht Biere aus kleinen Privatbrauereien mitzubringen, die wirklich nur ein kleines regionales Einzugsgebiet haben. Das macht sich auch in einer breit gefächerten Geschmacksrichtung bemerkbar

Heiko räumt noch am Abend das zurück gelassene Chaos auf. Besonders an der Feuerstelle liegen Flaschen und Trinkbecher umher. Auch im Speiseraum rennen einige in ihre Betten wie die Sau vom Trog. Sportfreunde, ist es so schwierig nach der Fete seinen Müll wegzuräumen? Aber am Morgen ist wieder alles blitzblank, vielen Dank an Heiko und die ihm noch geholfen haben. Wir wollen doch als Sportler bei der Herbergsleitung einen guten Eindruck hinterlassen. Wenn uns die Jugendherberge nicht mehr aufnimmt, ist nämlich Schluss mit der Winter-Saale-Fahrt.

Entgegen der Androhung von Sven Plöger, dass es am Sonntag regnen soll, ist es zwar bedeckt, aber es bleibt den ganzen Vormittag trocken. Fast alle bringen ihre Fahrzeuge ans Ziel nach Bad Kösen und fahren ganz ökologisch mit der Eisenbahn nach Camburg. Hier empfängt uns der Fahrtenleiter bereits zu seiner letzten Abschlussrede. Er dankt nochmals allen für ihre gute Disziplin und den Helfern für ihren Beitrag. Danach erhält die gekenterte junge Frau unter großem Beifall ihren Kenterorden.  

Anschließend erfolgt der Start zur zweiten und schönsten Etappe der Fahrt.  Ohne Hindernisse, immer mit flotter Strömung und ob des hohen Wasserstandes fast ohne Schwallstrecken geht es in etwa 1,5 bis 2 Stunden 17 km nach Bad Kösen. Hinter der großen Eisenbrücke mündet von links die Ilm, die ebenfalls reichlich Zuschusswasser in die Saale bringt.

Ralf und Wolfgang kurz vor der Ilmmündung

Danach  mäandriert die Saale mehrmals zwischen den Kalksteinfelsen auf der linken und rechten Talseite. Bald grüßen uns Burg Saaleck und die Rudelsburg.

Über uns die Rudelsburg

Auf den letzten 2 km müssen wir wieder gegen den Rückstau des Kösener Wehr anpaddeln. Die ersten steigen an der Fußgängerbrücke aus. Die meisten fahren noch bis zu einem großen Parkplatz mit Wiese am Schiffsanleger.

Eine tolle Wochenendfahrt mit einer Rundumversorgung geht damit zu Ende. An dieser Stelle noch einmal ein großes Dankeschön an den Fahrtenleiter Jan F., der 12 Jahre die Fahrt geleitet hat und mit seinem Engagement und großer Disziplin die Teilnehmerzahlen konstant über 100 halten konnte. Dafür wurde er vom Sportclub Berlin-Grünau mit der Silbernen Ehrennadel ausgezeichnet. Im nächsten Jahr übernimmt der Sportfreund Frank Seffner unseres Vereins die Leitung der Fahrt, und wir wünschen uns weiterhin eine hohe Beteiligung bis ans Limit der Fahrt.

Zur 31. Winter-Saale-Fahrt treffen wir uns bereits am 23. Februar wieder in Bad Sulza. Unter http://www.scbg.de/index.php/de/kanu/wandern/wintersaale wird zeitnah die Ausschreibung veröffentlicht. Und denkt daran, rechtzeitiges Melden sichert die Plätze.

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