Nein, mit Pomp gefeiert haben wir die Jubiläumstour nicht. Wir waren nur stolz, wie Jubilare eben sind, spätestens, als das „Wir eröffnen die Fahrt mit einem einfachen Sport frei“ erschallte - zum 40. Mal nämlich. Alles funktionierte, als ob hauptamtliche Organisationsprofis die Jubiläums-Wildwasserfahrt vorbereitet hätten.
Keinerlei Hektik, stattdessen aber bestimmte klare Regeln bei unbeschwerter Gelassenheit. Und alle wussten, wem sie das vor allem zu verdanken haben. 35 Jahre lang war es Wolfgang Tuch, der langjährige Wanderwart des SCBG, der die Fahrt leitete und möglicherweise sogar einmalig werden ließ.
2013 übernahm dann Anne Fahtke, an Jahren noch jung, aber dennoch schon ein Paddler-Urgestein, den Staffelstab. Sie verhinderte, dass etwas, was im Terminkalender des DKSV seinen festen Platz gefunden hat, nicht wieder verschwand. Es war nicht in einer Festrede, sondern beim ungezwungenen Grillen vor der Jugendherberge Warmbad, als einige der langjährigen Erzgebirgspaddler ein bisschen Rückschau hielten.
Erfahrungen aus vier Jahrzehnten durchzogen die Jubiläumsfahrt
Gruppenfoto vor dem Start
Am Anfang stand dereinst eine Idee. Wolfgang Tuch, der im Frühjahr 1977 als Reservist Pionierbrücken über märkische Fließe baute, sehnte sich plötzlich wieder nach schnell fließendem Wasser, so wie er es in seiner Zeit als Student in einem Slalomboot aus Gummi, Gewebe und Holz kennengelernt hatte. Und schon beschloss ein kleiner NVA-Soldat, eine Wildwasserfahrt zu organisieren: im Erzgebirge, trotz Kälte stets im Frühjahr, da es ohne Schmelzwasser nicht geht. Die Teilnehmer sollten keine Anfänger sein und stets in Gruppen fahren. Sicherheit wurde stets großgeschrieben, auch wenn mancher die entsprechende Ausrüstung erst nach und nach komplett hatte. Und in Erinnerung an die Übernachtungen während der Armeezeit ging es dem Gründungsvater auch um ordentliche und dennoch finanzierbare Unterkünfte. Er guckte sich Jugendherbergen aus. Ein Konzept, das sich bis zum heutigen Tag bewährt hat. Für die erste Fahrt auf der Müglitz fanden sich 13 wackere Kanuten aus drei Vereinen zusammen, allerdings durchweg ohne Wildwassererfahrung.
Wolfgang Tuch und Dieter Mainka 1978 auf der Müglitz
Und passend zu diesem Rückblick flimmerte nach dem Grillen auch gleich ein Anfang der 80er Jahre gedrehter Streifen über die Leinwand. Mit einer AK8-Schmalfilmkamera war Heldenhaftes festgehalten worden. Die Älteren erinnerten sich, die Jüngeren staunten. "Mensch, wie viele Erfahrungen doch notwendig waren, um zu erreichen, was wir heute haben", war man sich einig. "Und wie sich die Ausrüstung verändert hat." Hunderte Kanuten zwischen 14 und 75 Jahren sind in den 40 Jahren – dank der Wiedervereinigung schließlich aus ganz Deutschland – ihrem Hobby nachgegangen, wohlorganisiert, aber eigenverantwortlich. Gelegentlich wachten die paddelnden Eltern über ihren sich als Kanuten ausprobierenden Nachwuchs. Immer mit dabei Wolfgang Tuch und fast immer Dieter Mainka. Er musste ein einziges Mal fernbleiben. Die Armee von einst war mächtiger als der ehemalige Rennkanute.
Auf der Flöha
Zurück zur Gegenwart. Die beiden Etappen der Jubiläumstour unterschieden sich kaum von denen der letzten Jahre. Am 1. April, einem Sonnabend, wurde auf der Flöha und am Tag darauf auf der Zwickauer Mulde gepaddelt. Bei herrlichem Sonnenschein und beinahe sommerlichen Temperaturen waren 26 Kanuten aus sieben Vereinen unterwegs, darunter auch aus Würzburg und Bünde. Kalte Finger blieben aus, und nicht wenige verzichteten auch gleich auf die Handschuhe. Kleine Verletzungen durch herabhängende Äste und Gestrüpp ließen folglich nicht auf sich warten. Und Kenterungen, von denen es offiziell neun gab, wurden lachend hingenommen, dennoch aber nicht immer gemeldet. Der Autor dieser Zeilen zum Beispiel stieg vor einem unbefahrbaren Wehr auf der falschen Seite aus und hält es bis heute geheim. Der Ast, an dem er sich ans Ufer ziehen wollte, war plötzlich gebrochen. In vier Fällen wurden die Kenterungen aber mit Rollen abgeschlossen.
Am Start in Blauenthal zur Fahrt auf der Zwickauer Mulde
Flöha und Zwickauer Mulde sind den Teilnehmern der Fahrt, aber auch den Kanuten des Erzgebirgsrings gut bekannt. Dank Zuschusswasser aus den Talsperren Rauschenbach und Eibenstock sind sie in jedem Jahr befahrbar. Und die Verwalter beider Staubecken geben das meist vier Grad kalte Nass gern ab, jedoch nicht mehr ohne Gegenleistung. Anne hatte sich rechtzeitig mit den Verantwortlichen in Rauschenbach in Verbindung gesetzt, die Mannen vom Erzgebirgsring sprachen in Eibenstock vor. So soll es auch in den nächsten Jahren sein. Damit stände einer 41. Wildwasserfahrt im kommenden Jahr nichts im Wege, denn ohne Wasser aus den Staubecken müssten die Boote über lange Strecken hinter sich hergezogen werden. Bester Beweis: Auch in diesem Jahr war das Befahren eines dritten Flusses nicht möglich. Die natürlichen Pegel reichten nicht aus. Zu wenig Schnee oder Regen sind dabei aber nur ein Grund. Der andere sind die vielen kleinen, wasserzehrenden Kraftwerke, die im Erzgebirge in den letzten Jahren entstanden. Einziger Vorteil: Auf der Flöha erhält dadurch ein gewöhnlich festhaltendes Wehr so wenig Wasser, dass es den Paddler gefahrlos passieren lassen muss.
Auf der Flöha waren es schließlich 4,2 Kubikmeter, die pro Sekunde ins Tal flossen, auf der Zwickauer Mulde 10,8 Kubikmeter. Diese reichten aus, die stoßerprobten PE-Boote zügig in Richtung Ziel zu lenken, nicht durchweg aber, ohne den Grund zu berühren. Auf der Flöha war die Truppe wie stets von unterhalb der Rauschenbach-Talsperre bis Olbernhau unterwegs, was etwa 13 Kilometer bedeutete. Auf der Zwickauer Mulde waren es nur etwa zwölf Kilometer, da die bunte Schar bis auf eine Ausnahme schon vor dem Kachelofen Schluss machte. Sie verzichtete auf die sogenannte Waschmaschine unterhalb des "Hühnerwehres". Allein Bolle nahm hier die Strapazen des in diesem Jahr richtig schwierig gewordenen Umtragens auf sich und kam folglich auch allein zum Aussteigen am Penny-Markt in Aue an.
Begleitet wurden die Paddler auch in diesem Jahr wieder von Wolfgang, der damit erneut Fahrer des Busses und zugleich Kameramann war, sowie von Nicole auf ihrem Rad. Sie war oft bergab und bergauf unterwegs, ließ schließlich aber wissen, dass sie im kommenden Jahr im Boot dabei sein wolle.
Schlüsselstelle zum Einstieg in die Wildwasser-drei-Strecke
Wolfgang Tuch hat für die nächsten Jahre aber nicht nur eine würdige Nachfolgerin gefunden. Auch die derzeitige Jugendherberge dürfte für die Zukunft eine sichere Bank sein. Deren Leiter Thomas Georgiew hat „seinen“ Kanuten nun schon 13 Jahre lang Obdach gewährt. Vergessen ist, dass Wolfgang nach der 22. Fahrt wegen des zunehmenden Verbauens der Flüsse als Fahrtenleiter aufgeben wollte, sich dann aber überreden ließ. Zwei Jahre später hing er sogar noch einmal zehn Jahre an.
Für die Jubiläumstour hat Anne übrigens einen Weg gefunden, diese bei allen für einige Zeit unvergessen zu machen. Wir sollen unter der warmen Dusche an kalte Flüsse denken. Sie drückte jedem Teilnehmer ein Balea-Shampoon in die Hand, das sie bei dm gekauft hat und dort auch gleich mit einem Kanutenbild und einer Erinnerung an die 40. Fahrt verzierte.
Und Wolfgang hat inzwischen ein neues Ziel. „Mein größter Wunsch wäre es, noch die 50. Wildwasserfahrt zu erleben“, sagte er.
Das wünschen wir uns übrigens auch - mit ihm gemeinsam.