Der Staatsfeiertag 2019 fällt auf einen Donnerstag, mit dem Brückentag am Freitag starten wir zu einer viertägigen Fahrt nach Hamburg.
Der Fahrtenleiter hat frühzeitig beim ältesten Kanuklub Deutschlands, dem ACC (Alster-Canoe-Club), Quartier gemacht. Leider fallen auf den klimaverwöhnten Sommer Anfang Oktober die Temperaturen auf einstellige Werte, was besonders für unsere drei Zeltler ziemlich hart werden wird.
Bis zum Abend haben sich die 10 Teilnehmer durch das Baustellengewirr der Hamburger Innenstadt bis zum ACC in der Ludolfstraße im Stadteil Winterhude durchgefunden. Zu den niedrigen Temperaturen gesellt sich hin und wieder noch ein kurzer Regenschauer. Na. Das kann ja „heiter“ werden.
Aber auf die Wetter-App vertrauend, starten wir am nächsten Morgen um Viertelzehn zu unserer Oberalsterfahrt. Wir setzen direkt unterhalb der alten Schleuse in Wohldorf ein.
Einsatzstelle in Wohldorf
Die Anfahrt erfolgt zur Straße Schleusenredder. Das Parken ist in unmittelbarer Nähe der Schleusenredder-Nebenstraße möglich. Die heutigen Wehre nennen sich alle Schleusen, aber das mit den Schleusen muss schon sehr lange her sein. Vor uns liegen drei dieser Schleusen – nach 6 km die Mellingburger Schleuse, nach 2,7 km die Poppenbüttler Schleuse und nach weiteren 8 km die Schleuse Fuhlsbüttel. Und danach sind es nur noch 4,5 km bis zum ACC.
Verspielt, verwunschen, versteckt und saftig grün, über der Alster bildet das Blätterdach alter Bäume ein grünes Gewölbe. Aber die Naturgewalten des Herbstes haben auch ein paar Hindernisse geschaffen. Weit ragen einige Büsche in die Fahrrinne, ein Baum liegt quer über den gesamten Bach und zwingt uns zu limboartigen Verrenkungen. Während sich ein Teil der Gruppe an der Romantik der Alster erfreut, kämpft der kleinere Teil mit den grünen Hindernissen. Das gibt uns Hinweise, was wir in dem nächsten Sicherheitslehrgang üben sollten.
Kleine Bootsstege und die Rückgärten von luxuriösen Privathäusern der Hamburger Pfeffersäcke säumen den Bach mal auf der linken, mal auf der rechten Seite. Eigentlich paddeln wir immer durch Hamburg, aber mit dem vielen beidseitigen Grün bekommt man das gar nicht so richtig mit. Und wo keine Grundstücke sind, befindet sich der Alster-Fuß- und Radweg, der heute von vielen Spaziergängern, Joggern und Radfahrern genutzt wird.
Zur Mittagszeit erreichen wir die Poppenbüttler Schleuse. Hier stehen auch einige Bänke in der Sonne, die von uns dankbar angenommen werden.
Mittagsrast in der Sonne
Alsbald lassen wir uns wieder von der sanften Strömung des Alsterflüsschens in Richtung Winterhude treiben. Aber an der Schleuse Fuhlsbüttel ist es dann endgültig mit der Strömung vorbei. Wieder erleichtert uns eine Rollenbahn die Umtragerei. Ja, liebe Wasserstraßenämter, so kann man auch Umtragestellen an Wehren konzipieren
Nach dem Wehr Fuhlsbüttel
Wer die zahlreichen Brücken mitgezählt hat, bis hierher waren es 17 Fußgängerbrücken, 3 Straßenbrücken und 1 Eisenbahnbrücke sowie zwei Wehrüberbrückungen.
Auf den letzten Kilometern ist die Alster breit, so breit, dass auch kleine Barkassen über die Fleete schippern können. Gegen 17.00 Uhr erreichen wir „unseren“ Heimathafen.
Der Freitag ist als freier Tag einer Stadtbesichtigung mit unserem bewährten Stadtbilderklärer Jörg vorbehalten. Die Wetterapps versprechen für heute das typische Hamburger Schmuddelwetter, das auch pünktlich zur versprochenen Mittagszeit einsetzt. Mit der U- und Hochbahn fahren wir ins Zentrum.
An den Landungsbrücken bestaunen wir die Aussicht auf die Elbphilharmonie. Die Elbphilharmonie, ein Konzerthaus, wurde im November 2016 fertiggestellt. Mit ihr wurde ein neues Wahrzeichen der Stadt und ein Kulturdenkmal für alle geschaffen. Das 110 Meter hohe Gebäude im Stadtteil Hafen City liegt am rechten Ufer der Norderelbe. Es wurde unter Einbeziehung der Hülle des früheren Kaispeichers A errichtet. Auf diesen Sockel wurde ein moderner Aufbau mit einer Glasfassade gesetzt, der an Segel, Wasserwellen und Eisberge erinnert. Das verklinkerte Fundament ist an die Backsteinarchitektur der dahinter liegenden Speicherstadt angepasst.
Blick auf die Elbphilharmonie
Die Elbphilharmonie kann man natürlich auch besichtigen, deshalb wandern wir von den Landungsbrücken da hin. Der Aufgang zur Aussichtsebene in 37 Metern Höhe ist kostenfrei und wird nur zur Mengenbegrenzung durch Tickets geregelt. Dieser öffentlich zugängliche Platz, die Plaza, der als Zugangsebene für das Foyer der Konzertsäle dient, ist gleichzeitig Zugang zu einem Außenrundgang um das gesamte Gebäude. Zur Plaza gelangt man über eine ca. 80 Meter lange Rolltreppe und eine zweite, kürzere Rolltreppe. Vom Außenrundgang bietet sich eine Aussicht über die Norderlebe, den Hafen, die neue Hafen-City und die Innenstadt
Von dieser Landungsbrücke hat man den schönsten Blick auf die Elbphilharmonie
Nachdem sich alle satt gesehen haben, wandern wir durch die Hafen-City zum ehemaligen Richtplatz für Piraten der mittelalterlichen Stadt. In Stein gemeißelt steht der Wahlspruch der Piraten auf dem Sockel des Störtebeker-Denkmals auf dem Hamburger Grasbrook: "Gottes Freund, der Welt
Denkmal für Klaus Störtebeker – er zeigt der Stadt die kalte Schulter
Feind". Der Tod war die übliche Strafe für Überfälle auf Handelsschiffe der wohlhabenden Hamburger Kaufleute, der sogenannten Pfeffersäcke. Zur Abschreckung für vorbeifahrende Seeleute spießten die Henker die abgeschlagenen Schädel der Delinquenten mit langen Nägeln auf ein Holzgestell.
Der Legende nach soll auch der sagenumwobene norddeutsche Freibeuter Klaus Störtebeker, der auf Nord- und Ostsee sein Unwesen trieb, dort sein Ende gefunden haben. Am 20. Oktober anno 1401 wurde er zusammen mit Gödeke Michels und mehr als 70 seiner Kumpanen auf diesem Richtplatz geköpft. Eine hanseatische Armada um das Flaggschiff "Bunte Kuh" hatte die Piraten in einer Seeschlacht vor Helgoland gestellt. Ein Verräter soll flüssiges Blei in das Ruder der Piraten gegossen und so das Schiff manövrierunfähig gemacht haben.
Vor seiner Hinrichtung hatte Störtebeker mit dem damaligen Hamburger Bürgermeister Kersten Miles einen Handel geschlossen: Der Henker sollte diejenigen aus einem Spalier der Piraten verschonen, an denen der Enthauptete noch vorbeilaufen konnte. An elf Männern schritt der Geköpfte vorbei, bevor ihm der Henker den Richtblock vor die Füße warf (bzw. ihm laut einer anderen Version ein Bein stellte). Nach dem Sturz des Piraten brach der Bürgermeister sein Versprechen, und alle 73 Seeräuber wurden enthauptet. Als ein Mitglied des Rates den Henker für seine „Arbeit“ lobte, soll er geantwortet haben, das sei noch gar nichts, er könne auch noch den gesamten versammelten Rat hinrichten. Daraufhin wurde er in Gewahrsam genommen und selbst vom jüngsten Ratsmitglied enthauptet.
Wir wenden uns mit Grausen. Inzwischen hat sich der Regen wieder verstärkt. Für den Nachmittag bummeln wir in zwei Gruppen durch die Stadt und hoffen auf besseres Wetter für den Sonnabend. Und tatsächlich, als wir am Sonnabend früh die Augen aufschlagen, hat der Regen aufgehört und die Sonne kündigt sich an.
Heute nehmen wir an der 47. Alster-Grachten-Fahrt teil.
Der ACC liegt an dem offiziellen Rundkurs. Zuerst geht es für uns weiter alsterabwärts. Nachdem der Alsterlauf hinter uns liegt und die Außenalster überquert ist, geht es unter der Kennedybrücke hindurch in die Binnenalster mit der Alsterfontäne und dann weiter in die „Kleine Alster“. Nun sind wir mitten in der Innenstadt. Am Rathaus ist die erste Schleuse Richtung Elbe zu passieren. Nach einer langen Wartezeit bis die Schleuse rappelvoll ist und unter den Augen zahlreicher Zuschauer geht es abwärts.
In der Schaartorschleuse
Zügig wird zur Schaartorschleuse gepaddelt. Da aber hier die eine Schleusenkammer zur Zeit repariert wird, gibt es wieder eine längere Pause, da auch einige Barkassen aus dem Hafen alsteraufwärts fahren. Kaum öffnet sich das Tor, löst sich mühsam die zusammen gepferchte Meute aus der Schleuse.
In diesem Jahr werden wir zuerst elbabwärts gedrängt in Richtung Landungsbrücken. Die Motorbarkassen und die Paddler erzeugen ganz schön kabbeliges Wasser. Bloß hier nicht kentern, auch wenn der Wasserrettungsdienst vom DRK nicht weit ist. Wie eine aufgeregte Ameisenstraße bewegen sich die Boote hinter der vertäuten Cap San Diego und setzen alsbald zur Wende an. Durch den Binnenhafen vorbei an der Flussschifferkirche führt der Weg in den Nikolaifleet. Gestern sahen wir um diese Zeit hier nur Schlick und Schlamm, aber heute hat die Flut das Nikolaifleet für die Paddler wieder aufgefüllt, so dass wir bis zum Ende fahren können. Im Fleet sind auch die letzten historischen Hamburger Bürgerhäuser zu sehen.
Im Nikolaifleet
Vor der Schaartorschleuse liegen wir anschließend gefühlte zwei Stunden, ehe endlich die Ampel grün zeigt. Inzwischen sind es noch mehr Boote geworden, und in der Schleuse bleibt nicht die kleinste Lücke frei. Zügig wird nach dem Schleusen zum Hamburger Kanu Club gepaddelt, denn inzwischen ist es halb Zwei, die hungrigen Magen melden sich geräuschvoll und der Morgenkaffee steht auch schon über Oberlippe.
Nach viereinhalb Stunden im Boot erreichen wir in der Außenalster den Hamburger Kanu Club. Freundliche Helfer versuchen auf dem engen Gelände das Chaos abgelegter Boote zu ordnen. Für den Hunger gibt es leckeren Eintopf als Mittagessen. Nur an den Toiletten bilden sich lange Schlangen.
Mittagspause beim Hamburger Kanu Club
Nachdem wir uns auch etwas die Beine vertreten haben, steigen wir wieder in die Boote. Über Feenteich, Hofwegkanal, Osterbekkanal, Barmbeker Stichkanal und Goldbekkanal erreichen wir das Bootshaus des Veranstalters, den VfL 93. Alle wirken zufrieden und haben großen Durst und Appetit auf Gegrilltes und vor allem auf Kuchen! So einen schönen Tag will man wohl süß ausklingen lassen.
Hier geht es noch enger zu, aber irgendwie finden trotzdem alle Boote einen Platz. Kleine Grüppchen machen es sich an den Biertischen gemütlich. Für uns ist die Fahrt hier noch nicht beendet. Nach dem gemütlichen Kaffeetrinken nehmen wir die letzten Kilometer unter die Paddel.
Über den Goldbekkanal und den Rondeelteich gelangen wir bei herrlichem Sonnenschein wieder in die Alster und erreichen nach 25 km gegen 17.00 Uhr unser Standquartier.
Am Sonntag starten wir nach dem Frühstück in Richtung Berlin. Trotz des zeitigen Starts geraten wir auf der A 24 , na, Ihr wisst schon; angeblich klimafreundlich tuckern wir mit 30 km/h dahin oder bleiben gleich ganz stehen.