Unsere traditionelle Frühjahrswanderung fand in diesem Jahr am Sonntag, den 26. März 2023, statt. Als Wanderleiter hatte sich Susanne bereit erklärt und lud uns zu 10.30 Uhr zum Treffpunkt am S-Bf Tegel ein. Pünktlich trafen alle 16 wanderfreudigen Kanuten mit der S-Bahn, aber auch mit dem PKW am Treffpunkt ein. Keiner hatte sich von der miesen Wetterprognose abschrecken lassen, immerhin war für den Nachmittag Sonne versprochen.
Als erstes wandern wir zur Mündung des Tegeler Fließes in den Tegeler See.
Am Tegeler See
Hier hat das Fließ bereits 30,4 km zurückgelegt, davon 9,9 km auf Berliner Stadtgebiet. Das Quellgebiet zweier Quellbäche liegt in der Basdorfer Heide sowie einer Moorniederung in der Mühlenbecker Heide. Aber so weit wollten wir nicht wandern. Unser heutiges Ziel war Lübars und sein Alter Dorfkrug.
Vom Uferweg am Tegeler See wandern wir über die Tegeler Hafenbrücke bis zur Humboldt-Mühle. Hier wurden im Randbereich des Tegeler Fließes die ältesten menschlichen Spuren im Berliner Raum gefunden. Steinzeitliche Jäger erbeuteten hier an Wildwechseln Rentiere.
Aber Jörg konnte uns hier noch eine andere, aber historisch belegte Geschichte aus dem Jahre 1410 erzählen: Da das Dorf Tegel einem Kloster gehörte, blieb es meist von Übergriffen der Raubritter verschont. Allerdings wurden die Tegeler am 3. September 1410 Zeuge der berühmten Schlacht an der Tegeler Mühle, in der die Berliner Bürger den Raubrittern Dietrich und Hans von Quitzow unterlagen. Die Ritter hatten die Schweine- und Kuhherden der Bürger aus den Wiesen nördlich der Spree westlich des heutigen Monbijouparks geraubt. Die Berliner Bürger waren besonders wütend, weil die Quitzows zuvor nicht – wie üblich – den Frieden aufgekündigt hatten. Sie setzten der gutgerüsteten Quitzow-Truppe mit Waffen nach. Ihre Vorhut holte die Diebe an der Tegeler Mühle ein, wo die Räuber die Herden über das Fließ treiben mussten. Die berittene Vorhut wartete nicht auf ihre Fußkämpfer, sondern begab sich übereilt in den Kampf. Allerdings rechnete sie nicht damit, dass Reiter in der Mühle lagerten, und tappten in eine Falle. Beim heutigen Restaurant „Alter Fritz“ kam es zum Kampf, sechszehn Bürger wurden als Geiseln verschleppt, darunter der Ratsherr Niclas Wynns. Zwei Jahre lag er angekettet im Verlies. Aber Berlin und Cölln rüsteten gegen die Raubritter und verteidigten ihre Dörfer, so dass die Quitzows Frieden schließen und die Gefangenen freilassen mussten.
Tegeler Fließ in Berlin-Tegel
Nach Überquerung der Karolinenstraße biegen wir in einen Wald des Tegeler Forstes ein. Und alsbald schlängelt sich dieser Weg immer am Tegeler Fließ entlang, mal auf der rechten Seite, oder wir wechseln über eine Brücke auf die linke Seite.
Brücke übers Tegeler Fließ
Das Tal des Tegeler Fließes ist inzwischen ein Naturschutzgebiet. Nichts darf mehr verändert werden, was auch auf dem nächsten Foto zu sehen ist. Aber man darf auch nicht mehr paddeln. Ich glaube, meine Tour im Januar 1998 mit zwei Westberliner Sportfreunden vom Summter See bis zur Humboldtmühle war noch ziemlich die letzte Gelegenheit. Das Tegeler Fließtal gehört nämlich inzwischen zum berlin-brandenburgi-schen Naturpark Barnim und ist mit seinen 377,36 Hektar Feuchtgebiet seit 2005 Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes NATURA 2000. Das Tegeler Fließtal ist damit eine besonders schützenswerte Landschaft. Sie ist einerseits Naturraum mit unterschiedlichen Lebensräumen für Pflanzen und Tieren, aber auch ein Erholungsgebiet für die Berliner und ihre Besucher.
Infolge des vielen Regens in diesem Frühjahr ist das Fließ randvoll. Besonders eindrucksvoll bekommen wir das auf den Wiesen vor Lübars zu spüren, als wir wegen einer ziemlich heftigen Überflutung des Wanderweges einen großen Umweg zum Dorf nehmen müssen.
Naturschutzgebiet Tegeler Fließ
Nach Querung der B96 (Oranienburger Damm) gelangen wir an den Hermsdorfer See. Er hieß mal Großer Hermsdorfer See, aber inzwischen ist der See weitestgehend verlandet und erheblich geschrumpft.
Ein fünf Kilometer langer Wanderweg umrundet die Sumpflandschaft des verlandeten Alten Hermsdorfer Sees. Das Tegeler Fließ durchströmt in Mäandern den verbliebenen kleinen Hermsdorfer See und berührt dabei Sümpfe. Altarme bilden besondere Stillgewässer, Gräben verbinden mit ehemaligen Torfstichen. Große Teile dieses Gebietes sind, wie gesagt, verlandete Teile des Alten Hermsdorfer Sees, der die heute besiedelten Bereiche des Großen und Kleinen Werders umfasst.
Hermsdorfer See mit Silke als Farbtupfer
Der Hermsdorfer See in Berlin-Reinickendorf setzte sich immer mehr mit Schlamm zu. Der wurde durch das Fließ hineingetragen. Aber auch Straßenabwässer aus der Umgebung, vor allem aus dem Gelände unterhalb des Zabel-Krüger-Damms, nordöstlich des Fließtales, trugen dazu bei. Im ständig durchfeuchteten Boden fanden die Bäume keinen Halt mehr, sie stürzten um, die Umgebung des Hermsdorfer Sees glich mehr und mehr einer Alptraumlandschaft. Die Anlieger nahmen das nicht hin. Es kam zu wütenden Protesten. Seit dem letzten Jahr steht fest: Der See wird ausgebaggert und entschlammt. Pumpen und Rohre sind nicht zu übersehen. Die Arbeiten sollen sich noch bis 2025 hinziehen.
Wir laufen ein Stück weiter auf dem neuen, vorbildlich angelegten Steg auf dem Barnimer Dörferweg weiter, hin zu den Lübarser Wiesen. Wir orientieren uns am Kirchturm der Dorfkirche von Lübars und kehren zum Stärken in den traditionellen „Alten Dorfkrug“ ein.
Alt Lübars ist das einzige noch erhaltene Dorf Berlins und lohnt eine Erkundung der vielen denkmalgeschützten Gebäude und des Dorfangers mit der Dorfkirche von 1790.
Über die Lübarser Wiesen
Mittagessen im Alten Dorfkrug von Lübars
Als wir den Gasthof verlassen, haben sich die Wolken verzogen und eine Sonne blinzelt kalt vom blankgeputzten Himmel. Der Bus 222 hat nur auf uns gewartet und bringt uns zurück zur S-Bahn in Tegel. Vielen Dank Susanne für die, wenn auch etwas feuchte aber interessante Wanderung im Norden von Berlin.