Der 03. Oktober fiel in diesem Jahr auf einen Donnerstag. Also wurde der Freitag zum Brückentag und damit gab es vier freie Tage. Im Fahrtenplan war für dieses lange Wochenende die Alstergrachtenfahrt vorgesehen. Der Wanderwart hatte für die Übernachtung langfristig vorher die Kanustation Alster Canoe Club (ACC) bestellt. Der ACC ist mit über 100jähriger Tradition der älteste Kanuverein Deutschlands und liegt in unmittelbarer Nähe der Grachtenrundfahrt.
Mit Hilfe der modernen Navigationsgeräte waren bis zum späten Mittwochabend alle gut in Hamburg und im ACC angekommen. Trotz der Hinweise des Wanderwarts sind jedoch die Meisten erst mal an der Einfahrt vorbeigeschossen und mussten noch eine Ehrenrunde drehen.
Der Tag der deutschen Einheit zum 03. Oktober kündigte sich mit strahlendem Sonnenschein, aber kühlen 15 Grad an. So starteten wir wie vorher geplant zu unserer Alsterfahrt. Es musste nur ein Boot umgeladen werden und schon standen die Pendelautos von Christel und Petra zur Verfügung. Pünktlich 09.30 Uhr setzte sich die Fahrzeugkolonne in Richtung Norden nach Wohldorf in Bewegung. Nach einer halben Stunde war die Einsatzstelle hinter dem Wohldorfer Wehr erreicht. Hier empfing uns Werner bereits mit einer kleinen Nachlese der Jubiläumsgeburtstagsfeier und einer Dankesrede.
Gut gestärkt ging es nach dem „zweiten Frühstück“ in die Boote. Ab Wohldorf fließt die Alster weitgehend reguliert durch das Stadtgebiet von Hamburg. Aber bis zum Wehr ins Fuhlsbüttel ist von „Stadt“ nicht viel zu sehen. Auf der rechten Seite, seltener links, verstecken sich hinter Büschen und Bäumen die Villen der betuchten „Pfeffersäcke“. Den Fluss begleitet auf ganzer Länge der Alsterwanderweg, der hin und wieder je nach der Randbebauung die Seiten wechselt. Auf dem Wanderweg ist heute viel Betrieb, mehr als auf dem Wasser. Spaziergänger, Radfahrer und Jogger nutzen den Feiertag und natürlich das schöne Wetter zu einem Ausflug entlang der Alster. Vom Sonnenschein bekommen wir nicht viel mit. Die Kronen der Bäume treffen sich in Flussmitte und sorgen für reichlich Schatten, eigentlich der richtige Fluss für hochsommerliche Hitze. Nach fünf Kilometern kommt das erste Wehr in Mellingburg. Hier muss, wie auch an den beiden folgenden Wehren, umgetragen werden. Das ist jedoch super komfortabel. Außer den kanutenfreundlichen Ausstiegen sind bergan als auch bergab Rollenbahnen vorhanden. Da macht das Umtragen richtig Spaß. Nach diesem Wehr ist erst mal Schluss mit der leichten Strömung, denn nach weiteren drei Kilometern kommt das zweite Wehr in Poppenbüttel. Wir nutzen den Ausstieg gleich zu einer ausgiebigen Mittagspause. Unmittelbar daneben hätte es auch eine Gaststätte gegeben. Aber den Preisschock eines Gaststättenbesuchs hatten wir uns für den Abend aufgehoben.
Alsbald setzten wir die Fahrt fort, nun wieder mit einer leichten Unterstützung durch fließendes Wasser. Ja, es gab sogar eine kleine, aber harmlose Gefällstufe mit einem kleinen Schwall. Langsam wurde der Fluss breiter und breiter bis nach acht Kilometern das Wehr Fuhlsbüttel erreicht war. Vorher paddelten wir noch an der Kanustation Alstereck vorbei, in der wir bei früheren Grachtenfahrten übernachtet hatten.
Nach dem Wehr ist die Alster breit und für die kleinen Ausflugsdampfer auch schiffbar. Nach weiteren 4,5 km und insgesamt rund 21 km war unser Standquartier erreicht. Den letzten Sonnenfleck auf dem Vereinsgelände nutzten wir für den Nachmittagskaffee. Anschließend starteten die Pendelautos.
Am Abend durften wir sogar den Klubraum des Vereins mitnutzen. Ansonsten steht für die Gäste nur ein sehr beschränkter Platz in der Küche zur Verfügung. Wegen der morgendlichen und abendlichen Kühle haben wir allerdings gern dieses Angebot angenommen, wenn wir auch wegen der wenigen Schlüssel und unserer „Tür-Offen-Halte-Kreativität“ manchen Rüffel einstecken mussten.
Der Freitag war für einen kleinen Stadtrundgang vorgesehen. Wolfgang und Jörg hatten sich gut vorbereitet. Los ging es am imposanten Rathaus, dem Sitz von Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg. Das Rathaus wurde 1886-97 errichtet, nachdem das alte Rathaus 1842 beim großen Stadtbrand zerstört worden war.
Über die Trostbrücke mit den Denkmälern des heiligen St. Ansgar und Graf Adolf von Schauenburg, beide wichtige Persönlichkeiten der Hamburger Geschichte, ging es zur St. Nikolaikirche. Diese Kirchenruine, zerstört durch Bombenangriffe in den Jahren 1943 und 1944, steht als Mahnmal für die Opfer von Krieg und Verfolgung.
Nun waren wir schon dicht am Nikolaifleet, welches aber wegen der Ebbe sehr unschön aussah. Es fehlten mindestens 4…5 m Wasser. Hier begann 1188 die Entwicklung des heutigen Hamburger Hafens. Zwischen Holzbrücke und Hoher Brücke liegt der letzte erhaltene Fleetabschnitt mit der typischen althamburgischen Bebauung. Bis ins 19. Jahrhundert wurden hier auf dem Wasserwege Waren in die Speicher umgeschlagen.
Nach dem Hamburger Brand, der am 5. Mai 1842 in einem an diesem Fleet gelegenen Haus der Deichstraße ausbrach, wurde die Hamburger Innenstadt gründlich umgestaltet, um Platz für ein neues Rathaus und den Rathausmarkt zu schaffen.
Alsbald war die Speicherstadt erreicht. Nach dem Bummel durch die historische Speicherstadt ging es durch die Cremon (-Straße) und Katharinenstraße zur Hamburger Hauptkirche St. Petri. Die Straße Cremon wird erstmals 1251 urkundlich genannt. Sie verläuft auf dem Westdeich der Anfang des 13. Jhdt. eingedeichten ehemaligen Cremon-Insel am Nikolaifleet entlang. Von der fleetseitigen Bebauung der Straße ist noch ein Ensemble von Speicherhäusern des 18. Und 19. Jhdts. erhalten.
Doch vorher gab es noch einen kleinen Abstecher zum Bischofsturm. Im Keller eines Wohn- und Geschäftshauses ist ein ringförmiges Turmfundament aus dem 12. Jahrhundert von 19 Metern Durchmesser und der älteste erhaltene Rest eines Steingebäudes der Altstadt erhalten. Die unter Straßenniveau liegenden Fundamente wurden zwischen 1962 und 1965 ausgegraben. Er kann nun, zugänglich über ein Ladengeschäft und eine Stahltreppenkonstruktion, besichtigt werden. Innerhalb des Steinkreises ist ein Gastronomiebereich eingerichtet, den wir nach unserer Stadtwanderung zum Mittagessen besuchten.
Die St.-Petri-Kirche ist die älteste Pfarrkirche Hamburgs. Sie ist nach dem Apostel Petrus benannt und gehört zu den fünf Hamburger Hauptkirchen. Der 132 Meter hohe Kirchturm kann über 544 Treppenstufen bis auf eine Höhe von 123 Metern bestiegen werden und bietet durch Bullaugen einen guten Überblick über die Innenstadt. Mit ihrer Lage an der Mönckebergstraße und an der Bergstraße markiert sie bei 9,48 m ü. NN den höchsten Punkt der Hamburger Altstadt, an dem sich die erste Hamburger Siedlung bei der Hammaburg befand. Die Ursprünge der Kirche als Holzkapelle werden für spätestens Anfang des 11. Jahrhunderts angenommen, die erste urkundliche Erwähnung fand sie 1195 als ecclesia forensis (Marktkirche). Sie ist, nach dem 1805 abgerissenen Mariendom, die zweitälteste Kirche in der Hamburger Altstadt.
Nach dem Mittagessen im Bischofsturm stand der Nachmittag für alle Teilnehmer zur freien Verfügung.
Am Sonnabend starteten wir um 09.30 Uhr zur Grachtenfahrt direkt an unserem Bootshaus des ACC. Zuerst ging es noch alsterabwärts bis zur Außenalster.
Der Alstersee entstand 1190 unter Graf Adolf III. durch Anstauung des Flusses mit einem Damm, um als Mühlenteich für das Betreiben einer großen Kornmühle zu dienen. Die unbewohnten Alsterwiesen wurden dabei großflächig überschwemmt. Nach dem späteren Pächter Reese erhielt der Damm den Namen Reesedamm, aus dem nach weiteren Verbreiterungen der heutige Jungfernstieg wurde. Erst 1616 bis 1625 wurde der Mühlenteich mit der Errichtung der Hamburger Wallanlagen in Außen- und Binnenalster getrennt. Der Durchfluss der Alster erhielt eine Holzbrücke, mit einem schwimmenden, an Ketten gesicherten Baumstamm als Sperre. An dieser Stelle wurden später die Lombardsbrücke und 1953 nördlich davon die Kennedybrücke, gebaut.
In der Binnenalster mit seiner mächtigen Fontäne wurden wir auch langsam von den Teilnehmern der Grachtenfahrt eingeholt.
Das Alsterfleet beginnt heute an der Schleusenbrücke, unter der die moderne Rathausschleuse betrieben wird, und mündet am südlichen Ende beim Steinhöft, unweit vom Baumwall, in den Binnenhafen. Früher grenzte die Kleine Alster direkt bis ans Mönkedammfleet, bevor der folgende die Elbe mündet. Die Schaartorschleuse vor der heutigen Mündung des Alsterfleets in die Elbe wurde zum Schutz der Hamburger Innenstadt erst nach der Sturmflut 1962 angelegt. Um die Alster auch bei Elbhochwasser entwässern zu können, sind hier leistungsstarke Pumpen installiert.
Nach Durchfahrt durch die Rathausschleuse, das Alsterfleet und die Schaartorschleuse fahren wir in das Nikolaifleet und danach wieder zurück. Ein Abstecher zu den Landungsbrücken oder durch die Speicherstadt ist heute nicht vorgesehen.
Auf der Außenalster geht es entlang des Ostufers zum Hamburger-Kanu-Club (HKC). Hier ist eine Mittagspause vorgesehen. Die Sportfreunde des Vereins bemühen sich eifrig, alle Boote auf dem engen Gelände einzusortieren. An den Stegen ist ein ständiges Anlanden und Ablegen. So findet trotz des riesigen Woolings jeder seinen Platz.
Nach der Mittagspause fahren wir noch wenige Meter über die Außenalster, um dann durch die Feenteichbrücke in die Hamburger Grachten abzubiegen. Über den Uhlenhorster Kanal, den Stichkanal entlang des Hofweges, den Osterbekkanal, dem Barmbeker Stichkanal und den Goldbekkanal paddeln wir zum Kanuverein Vfl 93, dem Ausrichter unserer heutigen Paddeltour. Zum Glück beenden hier viele Kanuten ihre Fahrt und tragen ihre Boote gleich auf die Hänger und Autos vor das Gelände, denn hier ist noch weniger Platz als beim HKC. Aber der Ausstieg hat sich für das reichhaltige Kuchenangebot gelohnt. Ute meinte bloß, bei welchem Verein es denn ein Abendessen gäbe.
Nach dieser gemütlichen Kaffeepause geht es weiter über den Goldbekkanal, den Rondeelteich und einen Stichkanal wieder zur Alster. Nach der Einmündung in die Alster haben wir auch schon nach 23 km unser Standquartier, den Alster Canoe Club, erreicht.
Die Freizeit in Hamburg nutzten fast alle, um die größte Modellbahnanlage Deutschlands in der Speicherstadt zu besichtigen. Sabine und Wolfgang waren sogar in der Komödie am Winterhuder Fährhaus.
Am Sonntagvormittag, nach vier für Hamburg unwahrscheinlich „trockenen“ Tagen, reisten wir mit vielen, vielen unvergesslichen Eindrücken wieder in Richtung Berlin.
Sollten in den nächsten Jahren die Termine wieder einmal so günstig liegen, ist die Alstergrachtenfahrt gemeinsam mit einer Fahrt auf der Alster immer wieder zu empfehlen.