Eine Kenterrolle besteht aus zwei Teilen
- Teil 1: Kippen des Bootes, in der Regel nach links oder rechts, der Kanute hängt plötzlich mit dem Kopf nach unten unter Wasser.
- Teil 2: Aufrichten bzw. Drehen des Bootes mittels raffinerter Paddeltechnik.
Teil 1 wird von fast allen Paddlern perfekt beherrscht und wird von den beteiligten Rettern und Helfern in der Regel euphorisch begrüßt und gefeiert. Passiert im Zahmwasser allerdings relativ selten, meistens beim unsachgemäßen Einsteigen oder bei einer Karambolage. Auch sollen niedrige Brücken oder überhängende Äste schon Verursacher gewesen sein. Nachdem der Gekenterte trockengelegt wurde, kann es in der Regel weitergehen.
Je schneller das Wasser fließt, je mehr Wirbel, Walzen, Wellen, Strudel, Pilze, Querströmungen und was weiß ich, was es noch für verwirrende Begriffe gibt, desto größer wird das Risiko hier für Teil 1. Und jetzt ist der gut dran, der auch Teil 2 beherrscht. Aber bevor es so weit ist, muss man leider üben, üben, üben.
Und um dieses Üben ging es am Wochenende 31.01/01.02.2015. 16 Sportfreunde unseres Vereins trafen sich in der Sportschule Lindow zum Kenterrollentraining. Die kleine Schar unserer Wildwasserfahrer nutzten die Zeit zur Verbesserung ihrer Technik. Aber vor allem die weiblichen Teilnehmer bemühten sich hinter das Geheimnis der Wiederaufrichtung mittels Paddel oder sonstiger Schwimmhilfen zu kommen. Einigen reichte es auch schon, die noch nie den oben beschriebenen Teil 1 kennengelernt hatten, einfach mal ins Wasser zu fallen.
Nach der Anreise am Freitagabend, dem Beziehen der Zweimannzimmer, der kurzen organisatorischen Einweisung und der Vorstellung unseres Trainers Stefan, ging es um 19.00 Uhr bereits zur ersten Trainingseinheit. Für die Anfänger gab es ein wohltemperiertes Planschbecken, aber noch tief genug, dass man sich nicht den Kopf stieß. Das riesige 50 m-Schwimmbecken wurde zweigeteilt und die eine Hälfte durch Hochfahren des Beckenbodens auf eine Stehhöhe von 1,40 m gebracht. Und jetzt wurde über zwei Stunden gerollt, was die Lungen so hergaben.
Zur Belohnung mästeten wir uns anschließend am reichhaltigen Abendbrotbuffet in der Mensa. Und nur mit großer Eigendisziplin ist es möglich, sich nicht an den erforderlichen 5000 kcal eines Spitzenathleten zu orientieren. Der Rest des späten Abends wurde dann auch recht kurz gehalten, denn am Sonnabend früh begann das Training bereits um 06.00 Uhr. Aber wir waren nicht die einzigen Frühaufsteher, alle Trainingsstätten sind bereits ab 06.00 Uhr voll in Betrieb. Aber auch das haben wir überlebt (Obwohl, einige Verschläfer kamen auch erst um sieben angetrullert).
Nach reichlich Chlorwasser gab’s nach drei Stunden endlich den verdienten Morgenkaffee und das reichhaltige Frühstückbuffet. Nach dem ausgedehnten Frühstück wanderte die Hälfte der Mannschaft im Gegenuhrzeigersinn um den Wutzsee. In der Nacht hatte es kräftig geschneit. Bäume und Sträucher trugen weiße Mützen. Aber zum Skifahren hätte es noch nicht gereicht.
Eingangs Lindow kamen wir am ehemaligen Zisterzienserkloster vorbei. Im Dreißigjährigen Krieg (1638) wurde die Klosteranlage durch kaiserliche Truppen zerstört. Teilweise sind die alten Klostergebäude noch als Ruinen vorhanden. Das Gebäude der alten Klosterschule aus dem 15. Jahrhundert ist bis heute gut erhalten, ebenso das alte Waschhaus. Das ehemalige Kloster ist von einer Parkanlage umgeben, in der sich der alte Klosterfriedhof mit historischen Grabsteinen von Stiftsdamen befindet. Die Klosteranlage dient kulturellen, insbesondere musikalischen Zwecken.
Am Westufer des Wutzsees steht eine steinerne Mädchenplastik im See. Dahinter verbirgt sich folgende Legende:
Vor vielen Jahren lebte im Ort ein wunderschönes Mädchen Namens Amelie. Sie hatte sich in Jakob, einen armen Bauernburschen, verliebt. Die Eltern des Mädchens, sehr reiche Edelleute, waren gegen die Verbindung und schickten ihre Tochter zur Strafe ins Kloster. Das schöne Mädchen - nun eine schöne Nonne - war sehr unglücklich und konnte ihren Geliebten nicht vergessen. Dem Jüngling ging es ebenso und darum schlich er sich eines Nachts zum Kloster. Er schabte und kratzte so lange an der Klostermauer, bis ein Stein heraus brach und er seine geliebte Amelie befreien konnte. Niemand hat je wieder etwas von den beiden gehört. Die einen sagen, die Liebenden wären in dieser dunklen Nacht im Wutzsee ertrunken, die anderen hoffen, sie wären durch den angrenzenden Sumpf entkommen. Das Schicksal von Amelie und Jakob blieb im Verborgenen.
Alsbald verlassen wir Lindow und wandern weiter um den Wutzsee. Nach rund 8 km sind wir wieder in der Sportschule angekommen.
Vor dem Mittagessen zeigt uns Stefan noch einen informativen Film zur Kenterrolle. Ein Inuit (?) in einem Eskimokajak mit einem Inuitpaddel dreht sich und dreht sich, alles ohne große Kraftanstrengung. Der Paddler vollführt einen Bogenschlag von der Bootsspitze beginnend, immer kurz unter der Wasseroberfläche bleibend bis der Paddler mit dem Rücken auf dem Boot liegt. Inzwischen wurde durch das Paddel so viel Druck aufgebaut, dass der Paddler auch schon außerhalb des Wassers ist und sich aufrichten kann. Toll. Was so leicht und spielerisch aussah, wird in der Nachmittagstrainingseinheit weiter geübt. Einige versuchen sich nun auch schon an der Handrolle. Zuerst mit Schwimmhilfen und dann nur mit den Händen. Ich kann Euch versichern, es geht!
Nach dem ausgiebigen und reichlichen Abendbrot sitzen wir im Aufenthaltsraum unseres Gästehauses und nutzen die hier gebotenen Annehmlichkeiten, wie eine Kaffeemaschine, einen Wasserkocher und dazu passendes Geschirr. Natürlich wird auch über die Kenterrollentechnik gefachsimpelt.
Am Sonntagmorgen gibt es die vierte Trainingseinheit, aber heute erst um 07.00 Uhr. Aber vor uns zogen bereits einige Schwimmer ihre Bahnen. Nach über zwei Stunden ist dann das Training beendet. Alle sind mit dem Erreichten mehr als zufrieden. Stefan gibt uns noch mit auf den Weg, wir sollen das Gelernte nicht vergessen, sondern weiter üben. Na, dann macht mal. Der Lange See wird wohl in diesem Winter eisfrei bleiben.